Mittwoch, 12. Dezember 2018
Hiermit bewerbe ich mich um die Stelle als Ehefrau …
„Hallo, danke dass du mich auch nach rechts gewischt hast. Ich freue mich. Mein Name ist Isabella ich bin 36 Jahre alt und arbeite als Rechtsanwaltsfachangestellte in einer renommierten Kanzlei in Hamburg. Ich habe zwei gesunde Kinder und muss nicht zwingend noch ein weiteres Kind haben, aber wenn es der Wunsch meines Partners ist, würde ich natürlich auch nochmal mit dem ganzen Mist von vorne anfangen um dann in ein paar Jahren mit drei Kindern allein zu sein. Natürlich treibe ich regelmäßig Sport, besuche gerne Konzerte und mag das Theater. Ach so, …. Und ich reise natürlich. Unglaublich gerne. Und immer. In die exotischsten Länder der Welt, aber das siehst du ja an meinem 25 Reisebildern….“

So, oder so ähnlich, klingt heutzutage die perfekte erste Kontaktaufnahme auf den gängigen Online-Dating Plattformen. Wenn die Senderin dieser Nachricht dann nicht aufgrund irgendeines Details sofort auf dem Ablehnungs-Stapel landet, geht es in die zweite Runde. Ein Teilsieg!

Ein bis zwei kurze Wortwechsel später geht er los. Der Fragenkatalog – wahlweise über Messenger oder – in seltenen Fällen – bei einem Telefonat: Was genau machst du beruflich? Was suchst du hier? Rauchst du? Welche Filme guckst du? Kannst du kochen? Magst du Sauna? Bist du eifersüchtig? Wie viele Männer hattest du schon? Wie lange bist du Single? Warum bist du Single? Was sind deine Hobbies? Wie reagierst du, wenn dies und das passiert? Was würdest du sagen, wenn ich xy mache? Willst du noch Kinder? … Das die Fragen zum Teil bereits im Text der Kontaktaufnahme beantwortet sind, ist an dieser Stelle vollkommen irrelevant, es gibt schließlich ein Schema abzuarbeiten … und natürlich … nicht zu vergessen, die aller wichtigsten Fragen: „Welche Körbchengröße hast du?“ „Auf was stehst du im Bett am meisten?“, „Darf ich auch durch den Hintereingang rein? Das ist wichtig für mich.“ …. Ich fühle mich da oft ein bisschen in die Unterstufe zurückversetzt. Wisst ihr noch? Damals erstellte man diese eigenkreierten Freunde-Bücher für die man 80 - 150 sinnlose Fragen beantworten musste … ich glaub mein persönlicher Rekord waren 250 …. Immerhin ein kleiner Nostalgiemoment.

Ich weiß nicht wie es meinen Leidensgenossinnen geht, aber ich für meinen Teil habe es noch nicht geschafft durch den Fragenkatalog hindurch in die 3. Runde zu kommen. Irgendeine der gefühlten 25.000 Fragen habe ich immer vergeigt. Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass ich nach 30 – 40 Fragen (Toleranz von Mann zu Mann sinkend) dermaßen die Lust an diesem Assessment-Center verliere, dass meine Antworten immer patziger und ironischer werden. Vermutlich lande ich dann wegen „Zickigkeit“ auf dem Ablehnungsstapel.

Jetzt könnte man ja meinen, was will die eigentlich? Darum geht es doch beim Online-Dating. Schnell die harten Fakten abklären, um das was „eh nie passen würde“ gar nicht erst zu beginnen. Größt möglicher Output, mit geringst möglichem Aufwand sozusagen. Wozu jemanden auf ein Date einladen, der sich eh keine Nylonstrumpfhose über den Kopf ziehen möchte? Unter dieser Warte betrachtet ist das Vorgehen sicherlich nicht falsch, zumindest ökonomisch. Aber … und das macht mich wirklich fertig … selbst wenn man jemanden außerhalb des Internets – in der freien Wildbahn, sozusagen – kennenlernt, artet das mittlerweile in dieses Dating-Assessment-Gebaren aus. Sobald die Handynummern ausgetauscht sind, geht auch dann der Fragenkatalog via WhatsApp los.

Was ist das? Ich verstehe diese Art der Gespräche nicht. Diese etlichen Fragen, um jemanden kennenzulernen. Lerne ich damit jemanden wirklich kennen?!? Ich erinnere mich, früher telefonierte man abends stundenlang. Unterhielt sich über Gott und die Welt, den vergangenen Tag, die vergangenen Jahre und das ganze Leben. Man telefonierte bis zum Morgengrauen und ging vollkommen übermüdet aber dauergrinsend zur Arbeit. Heute erzähle ich von meinem Alltag und darf mir dann anhören: „Ich will nicht gleich mit Alltag anfangen, sondern dich als Frau kennenlernen, also schick mir doch mal erotische Bilder.“ Aber was denn?!? Genau da lernt man sich doch kennen. In ganz normalen Gesprächen in denen man von Hölzchen auf Stöckchen kommt. Die Art wie der Gesprächspartner über ein aufregendes Erlebnis berichtet, lässt mich wissen was ihn begeistert. Je nach dem wie er auf die Erzählung aus meinem Alltag reagiert erfahre ich wie interessiert er an mir ist. Was er mag und was nicht erfahre ich im Gespräch, zwischen den Zeilen und indem ich es ausprobiere. Es bleibt viel länger spannend. Nach so einem Fragenkatalog, weiß ich doch schon alles. Und was hat es mit den „wie würdest du reagieren, wenn…“-Fragen auf sich? Das ist eine theoretische Frage auf eine hypothetische Situation. Wie soll ich da realistisch antworten? Was wenn ich diese Frage im Sinne meines Zuhörers optimal beantworte, dann aber in der tatsächlich auftretenden Situation doch anderes reagiere? Habe ich dann einen Vertragsbestandteil gebrochen?

Ich bin inzwischen über anderthalb Jahre Single – davor war ich sechs Jahre lang „vom Markt“. Heute gleicht die Partnersuche einem Bewerbungsverfahren. Man schreibst einen Bewerbungstext und landet beim Einstellungstest und letztendlich in einer Art Assessment Center.

Ich möchte das nicht. Es ist grausam. Unromantisch. Es fehlt alles was Liebe ausmacht. Gefühl, Aufregung, Neugier, Kribbeln, langsames Kennenlernen. Ich bin mittlerweile so getriggert auf diese Fragen, dass ich bereits bei der ersten oder zweiten an die Decke gehe.
Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen, dorthin wo es noch kein WhatsApp, keine Internetflatrate gab und eine SMS noch 30Cent kostete, damals stellte man keine 100 Fragen, das hätte sich keiner leisten können. Da war das Telefonat … und sogar der Kinobesuch oder das Abendessen … günstiger. Damals ... lernte man sich noch kennen.

Und das Tragischste ist:
Auch meine Freundschaften betreffend möchte ich die Zeit gerne dorthin zurückdrehen. Denn auch mit meinen Freunden „appe“ ich Ewigkeiten hin und her und hab am Ende kaum Informationen ausgetauscht, anstatt einfach regelmäßig einen Abend beisammen zu sitzen, oder zumindest eine halbe Stunde zu telefonieren. Ich bin kein Gegner des technischen Fortschritts, aber ich finde mit dem technischen Fortschritt auf Kommunikationsebene geht die Verkümmerung der Sozialen Fähigkeiten einher. Wäre ich konsequent würde ich Tinder, Facebook und auch WhatsApp einfach komplett löschen … einfach so … mit meinen wahren Freunden würde ich schließlich trotzdem n Kontakt bleiben, oder? Ich weiß nicht, ich habe Angst, dann tatsächlich vergessen zu werden. Aber vielleicht probiere ich es irgendwann einfach aus...aber das wird dann ein anderes Thema.

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