Donnerstag, 21. Juli 2011
Frauen, Männer und Toastbrot...
Hier sind wir: Mädchen und Frauen. Klein, groß, dick, dünn, blond, brünett, rot oder schwarz, schön und weniger schön, ganz egal, Hauptsache weiblich. Eigentlich läuft in unserem Leben alles gut, bis auf eine Kleinigkeit. Männer! Männer sind für uns auch nach vielen Jahren ein Buch mit sieben Siegeln, ein achtes Weltwunder, ein Phänomen, ein Geheimnis, völlig undurchschaubar. Ich meine – mal ehrlich – als wenn die Welt nicht sowieso schon kompliziert genug ist: Studium, Wohnung, Freunde, Job…
Nix mehr mit: Du wirst geboren, du bist ein Mädchen, du heiratest, du wirst Mutter, das ist dein Job. Du lebst, du arbeitest, du weinst, du hast Spaß, du wirst alt, du stirbst. Klar, stringent, übersichtlich, prägnant.

Nein heute läuft das anders: Heute wirst du geboren und hast dann erst mal Zeit dir die folgenden Jahre darüber klar zu werden ob du ein Mädchen oder ein Junge bist. Wenn du herausgefunden hast, welches Geschlecht dir bei der Geburt zugeteilt wurde – na wahrscheinlich schon vorher, aber machen wir es mal nicht noch komplizierter als es ohnehin schon ist, ich finde es reicht bei der Geburt zu beginnen – wenn du also weißt was du hast, dann hast du die folgenden Jahre Zeit darüber nachzudenken ob du denn mit eben jenem Geschlecht auch zufrieden bist oder ob du gerne ein anderes hättest. Mal abgesehen von der Frage ob du nach einem gleich-geschlechtlichen oder anderes-geschlechtlichen Partner Ausschau hältst, kommt ja dann noch hinzu ob gleich bzw. anders bezogen auf dein aktuelles eigenes Geschlecht, oder bezogen auf dein eigentliches Wunschgeschlecht …Und da ist er auch schon der erste Knoten im Gehirn, ich möchte das an dieser Stelle nicht weiter ausführen…

Nun, gehen wir einfach mal davon aus, dass du es geschafft hast diese Frage zu klären – neben den alltäglichen Problemen und Minidramen in den Bereichen Schule, Eltern, Geschwister und Freunde, klar! – Du hast dich entschlossen, weiblich zu sein, weiblich zu bleiben und nach einem männlichen Gegenstück zu suchen bzw. dich von eben jenem finden zu lassen – nenn es wie du magst, am Ende kommt es aufs Selbe hinaus. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich nur von dieser einen Perspektive ausgehen kann, weil mir für eine andere Variation die Subjektivität fehlt.

Nun, am Anfang läuft das alles eigentlich ganz gut. In der Grundschule ist es ganz klar der kleine Junge aus deiner Parallelklasse zieht dir an den Haaren, reißt dir dein Haargummi und damit verbunden die Hälfte deines Haupthaares aus und schreibt sich in deinem Poesiealbum „aufs letzte Blatt, weil er dich am liebsten hat“. Das Ding ist geritzt, ihr seid ein Paar. Fertig. In der Unterstufe wird es schon etwas schwieriger, aber auf eines ist immer Verlass: „Willst du mit mir gehen, bitte kreuze an: Ja, Nein, Vielleicht, ich will Toast.“ Du kreuzt „ja“ oder „nein“ an – mal ehrlich hat jemals jemand „vielleicht“ angekreuzt? Nein! Damals gab es „vielleicht“ noch nicht. – Alles ist geklärt. Dann kommt die Mittelstufe jetzt geht’s langsam zur Sache, am Anfang ist es noch relativ eindeutig, ihr habt geknutscht, also seid ihr ein Paar. Zack! Doch die Mittelstufe ist lang…irgendwann kommen die ersten unerlaubt besuchten Oberstufenpartys, man knutscht und am nächsten Tag läuft man auf dem Schulhof einfach aneinander vorbei, jetzt geht’s langsam los. Knutschen ja, Paar nein. Es beginnt schwierig zu werden, man muss sich schon konzentrieren, teilweise interpretieren, aber eigentlich war es schon irgendwie klar: Wenn man mehr als einmal knutscht und vielleicht sogar mal einen Abend zu zweit verbringt, genau wie einmal knutschen im Kino, oder im Park und man ist ein Paar. Es wird nicht gefragt, es muss nichts besprochen werden, die Regeln sind klar. Dann kommt die Oberstufe, knutschen allein reicht längst nicht mehr aus um „zusammen zu sein“, - immerhin das ist gewiss - jetzt muss schon beinahe eine klare Ansage oder Sex her. Aber es bleibt doch noch mehr oder weniger sicher, man hatte Sex, man ist zusammen – unter Umständen nur ein oder zwei Tage – aber es bedarf inzwischen schon einem „ich mache Schluss“ um das Ganze zu beenden. Das war doch irgendwie noch alles überschaubar. Bis zum Abitur, war die Sache durchsichtig, die Stadt klein, jeder kannte jeden, die Schule zentraler Dating-Pool. Es gab mehr oder weniger klare Regeln.

Doch dann geht es los. Mit der Hochschulreife scheint nicht nur die Weiche für die Universität gelegt zu werden, sondern auch die Regeln für zwischenmenschliche Beziehungen – vor allem zwischen Mann und Frau – scheinen weich zu werden. Ab dann ist alles anders, große Stadt, viele Leute, man sieht sich nicht wieder wenn man nicht will, ausufernde Partys, viel zu viel Alkohol und andere Drogen. Regeln, Richtlinien oder gar einfach nur ungeschriebene Übereinkommen? Fehlanzeige! Man knutscht „einfach mal so“ – wenn es sich ergibt auch verschiedene Jungs oder Mädchen an einem Abend. Solange nur geküsst wird – und sei es noch so wild - ist alles unverbindlich. Man knutscht, man ist kein Paar. Es hat nichts zu bedeuten. Soweit so gut. Soweit so klar. Aber dann geht es weiter, man knutscht im Kino, man knutscht zuhause, man trifft sich 5 Wochen lang, fährt in den Kurzurlaub, fährt zu Festivals und verbringt unglaubliche Nächte mit allem was dazu gehört. Aber: Man ist kein Paar. Hmmm… Langsam wird’s richtig kompliziert. Alternativ kann man auch über drei oder vier Monate hinweg richtig guten Sex haben wann immer es möglich ist, man kuschelt, streichelt und schmust und macht und tut. Aber eine Beziehung? Nein danke.

Also bitte… an dieser Stelle bin ich nun raus. Ich verstehe es nicht mehr, habe offiziell aufgegeben. Und glaubt mir es geht nicht nur mir so, wenn ich mich im Kreise meiner Freundinnen so umhöre, komme ich schon ein wenig ins Grübeln…Nochmal langsam: Küssen – egal wo, egal wie oft – bedeutet gar nichts. Ok. Da komm ich noch mit. Find ich auch gut. Sex egal wo, egal wie, egal wie oft – bedeutet gar nichts. Auch das kann ich noch verstehen, sofern es geklärt ist. Klare Ansagen in Form von „versprich dir nichts“ oder „ich finde dich toll, du bist eine tolle Frau, ich bin sicher du bekommst dein Happy End, aber ich werde es nicht sein.“ und dann trotzdem noch wilden aber unverbindlichen Trieben nachgehen. Find ich gut, kann ich verstehen. Ich persönlich mag klare Ansagen. Sie sind sehr nützlich. Bis hierhin bin ich auch noch weitestgehend sicher das Spiel mitspielen zu können, weil mir die Regeln – oder das was davon übrig ist - bekannt sind.

ABER: Und jetzt geht’s wirklich los. Obiges sagen und dann die ganze Nacht kuscheln, sich stundenlang durchs Haar streichen, sich während’dessen’ tief in die Augen sehen und zärtlich küssen, das macht das Ganzen dann doch etwas komplizierter. Wie um alles in der Welt sollen wir Frauen – ja Jungs, ich bin sicher das gibt’s auch andersrum, aber der Klassiker ist dann doch dieser Richtung - dann denn nicht in ein Gefühlschaos geraten?

Wir können Sex und Liebe nicht trennen?!?! Oh doch: Ich finde wir können das schon, manchmal erscheint es mir eher als könntet ihr es nicht. Wobei ich möchte die Herren an dieser Stelle in Schutz nehmen. In meinen Augen handelt es sich dabei eher um ein Missverständnis als um böses Verhalten. Denn es ist doch mal so: Kuscheln und stundenlange Zärtlichkeit gehören doch irgendwie klassischerweise in den Bereich der Liebe, oder des Verliebt seins, zumindest in den wir-probieren-es-mal-miteinander-Bereich. Im Endeffekt ist es so: Würden wir alle die Grenzen nicht verschwimmen lassen, dann würden wir uns auch nicht in unsere unverbindliche Affäre verlieben. Würdet wir nicht Affäre sagen und Beziehung handeln, dann würden wir uns auch keine Hoffnungen machen. Kurz: Ich glaube das Verhältnis ist einfach unübersichtlich und kompliziert geworden. Und Schuld hat: Irgendwie alle und keiner. Stellt sich die Frage woran es liegt? An einem Überangebot an Reizen? An der Kurzlebigkeit der Welt? An zu vielen künstlich mit Photoshop erzeugten Zeitschriften-Schönheiten, die uns normale Mädchen immer in den Schatten stellen werden? Daran, dass die Jungs angefangen haben die Spiele der Mädchen zu spielen, sie aber nicht beherrschen? Daran, dass die Mädchen anfangen die Spiele der Jungs zu spielen und diesen auch nicht mächtig werden? Was in Kombination natürlich zu einer exorbitant großen Menge an Missverständnissen führen MUSS? Sind wir einfach nicht mehr in der Lage Entscheidungen zu treffen? Oder wollen wir gar diese ewig währende Unsicherheit und dieses Chaos? Ist es für euch Jungs eigentlich genau so kompliziert? Ich kann es nicht sagen, aber ich weiß: Manchmal hätte ich gerne noch mal einfach einen Zettel auf dem steht: „Willst du mit mir gehen?“ Und sei es nur um anzukreuzen: Ich will Toast.

© AylaElin (Mai, 2011)

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